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ARS VIVENDI – DIE KUNST


Als 1998 der Nachlass des 1975 verstorbenen amerikanischen Expressionisten HOLMEAD von seiner Witwe in die Hände eines Bremer Notars gelegt wurde, entdeckte Birgid Groscurth diesen spröden, eigenwilligen Maler: Sie war begeistert, weil er für das stand, was sie besonders schätzte: Unangepasstheit an den Zeitgeist und das konsequente Verfolgen der eigenen, künstlerischen Ziele ohne Rücksicht auf die Wertschätzung seiner Arbeit beim breiten Publikum.  Seit damals besteht ihr besonderes Engagement für HOLMEAD (www.holmead.de).

Seine internationale Karriere schien in den 20er und 30er Jahren trotz seiner besonderen Eigenheiten garantiert, wurde aber u.a. durch Ausbruch des 2. Weltkrieges zunächst quasi beendet. Holmeads ausdruckstarke Werke wurden 1999 in Kronberg erstmals nach einer langen Zeit der Vergessenheit wieder ausgestellt und erregten schnell das Interesse von Kunstexperten und Sammlern sowie das der Fachpresse. Nach Schließung der eigenen Galerieräume gab es auch weiter zahlreiche Ausstellungen in Kooperationen von Ars Vivendi mit dem Bremer Nachlassverwalter und Museen/Galerien im deutschen und europäischen Raum. Seit Januar 2014 kann Ars Vivendi über den Nachlass frei verfügen, und das Engagement hat weiter Fahrt aufgenommen. Z.Zt. zeigt das renommierte Frankfurter Kunstkabinett Hanna Bekker von Rath bis zum 30. August 2014 eine Auswahl seines Spätwerkes.
www.frankfurter-kunstkabinett.de

 

 

HOLMEAD – EIN AMERIKANISCHER EXPRESSIONIST IN EUROPA

Geboren wurde Holmead 1889 als Clifford Holmead Phillips in Pennsylvania, ab den 40er Jahren nannte er sich Holmead. Eigentlich sollte er die väterliche Möbelfabrik übernehmen, aber nachdem er 1912 auf der S.S. Olympic, dem Schwesterschiff der Titanic, zum ersten Mal nach Europa gereist war, stand für ihn fest, dass er Maler werden würde. Während seines Aufenthaltes auf dem alten Kontinent hatte er sich in allen europäischen Kunstzentren umgesehen, unzählige Museen und Galerien besucht und viele Maler getroffen. Er blieb bei seinem Plan, löste sich allmählich aus der gutbürgerlichen Welt seiner Heimat, und wer damals dachte, es handele sich nur um den Spleen eines wohlhabenden Sohnes aus gutem Hause, der hatte sich geirrt: Die Ernsthaftigkeit, die Kraft und Dauerhaftigkeit seiner Entscheidung reichten für fast sechzig Jahre seines langen Malerlebens, in dem er mindestens 27 mal den Atlantik per Schiff zwischen Europa und den USA überquerte. Die finanzielle Unabhängigkeit könnte der Schlüssel für seine Unangepasstheit an den Zeitgeist sein: Er musste den Menschen mit seiner Kunst nicht entgegen kommen und wollte auch kaum Interpretationshilfen geben. Wer seine Bilder lesen will, der muss seine malerische Sprache verstehen. Unermüdlich arbeitete er daran, zu seinem eigenständigen Ausdruck zu kommen, und kein Bild verließ sein Atelier, von dem er nicht überzeugt war, dass es in Komposition und Farbigkeit seinem Impuls und dessen künstlerischer Umsetzung entsprach.
Holmead lässt sich keiner Schule zuordnen, obwohl er voller Neugier die Werke seiner Zeitgenossen studierte und sich von einigen durchaus beeinflussen ließ: Z.B. von James Ensor oder Maurice de Vlaminck. Man entdeckt auch Elemente der deutschen Expressionisten, deren Werke er zwar kannte, aber nicht besonders mochte. Er löste sich davon und setzte seinen Weg fort. Seinen Stil bezeichnete er als „Crude Expressionism” und gehört damit wohl zu jenen, denen der Expressionismus nicht expressionistisch genug war. Aber den Weg in die Abstraktion, wie einige seiner berühmt gewordenen amerikanischen Zeitgenossen, wollte er nicht gehen. Die Zugehörigkeit zu einer Richtung oder gar einer modischen Strömung hätte von ihm Zugeständnisse verlangt, die zu machen er nicht bereit war.

In den frühen Bildern lassen sich die Einflüsse der New England School in Provincetown/Cape Cod erkennen, wo er ein Jahr  verbrachte, aber keine Wurzeln schlagen wollte: Zu dekorativ wurde ihm dort gemalt. Im krassen Gegensatz zu diesen Arbeiten mit malerischen Farmlandschaften, die an Edward Hopper erinnern, spiegeln die späteren Werke das wider, was er im Laufe seines Leben erfuhr: Es lassen sich Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung und auch Sarkasmus erkennen, und man trifft auf eine Natur, die rau, jäh und manchmal auch tragisch ist. Sein eigenwilliger Stil ist nur scheinbar ungezähmt, ungehobelt und voller Emotionen – er ist die Summe eines bewegten, von Gegensätzen geprägten und vielfältigen Lebens.
Holmeads Bilder sind ausdruckstark, und wer sich einmal auf sie eingelassen hat, den lassen sie so leicht nicht mehr los. Jeder, der über ihn geschrieben hat – vor allem Rainer Zimmermann in seiner großen, bei Klett-Cotta erschienen Monographie – weist darauf hin, dass man die Originale sehen müsse, damit sich dieser Maler wirklich erschließt. Nur so lässt sich die hochsensible Farbigkeit entdecken, und man erkennt, wie er über die Jahrzehnte gelernt hat, mit seinem Material umzugehen: Mit der Farbe, den Werkzeugen, dem Pinsel – aber besonders mit dem Spachtel. Als Autodidakt entdeckte er jede seiner malerischen Techniken selbst und entwickelte sie weiter. Das gilt auch für das schlagfeste, pastose Farbgemisch, das bei seinen zahlreichen Schiffspassagen sicher nützlich war: Er führte seine Bilder immer wie eine Art Heimat mit sich. Sie sollten nie zu Spekulationsobjekten werden, er unternahm keine Anstrengungen, sich seinen Platz an der Sonne zu sichern: „Kunst war nie ein Lutscher für Schwachköpfe oder ein Spielzeug für Taschendiebe” schrieb er an seine Frau, und er ließ sich lange bitten, bis er sich dazu entschloss, eine Ausstellung zu wagen. Er hasste es, sein neues Schaffen dem Publikum vorstellen und dessen Reaktionen darauf beobachten zu müssen, und er wollte auch Galeristen nicht dazu überreden, seine Werke auszustellen. Trotzdem wurden sie vor dem Krieg in so bedeutenden Ausstellungsräumen wie z.B. Bernheim – Jeune, Paris, dem Palais de Beaux Arts, Brüssel, Durand-Ruel und der Montross-Gallery, New York oder dem Art Institute of Chicago gezeigt. 1927 schrieb die New York Times: „Sein Werk, obgleich konventionell in der Machart, ist nicht konventionell in der Qualität. Holmead besitzt einen hervorragenden Sinn für Zeichnung und eine starke Begabung für den bildnerischen Aufbau. Er ist einer unserer guten Maler … ”
Schon vorher waren einige seiner Bilder von der von Katherine S. Dreier, Marcel Duchamp und Man Ray gegründeten Société Anonyme: Museum of Modern Art 1920 erworben worden.

Europa faszinierte ihn lebenslang, in München traf er seine spätere Frau, eine Bremer Fotografin. Aber seine Ruhelosigkeit führte zu einer allmählichen Entwurzelung, immer wieder verließ er Freunde und Förderer in Europa und den USA, hatte zeitweise keinen festen Wohnsitz und war nur schwer zu erreichen. Das kostete ihn wichtige  Kontakte zu Sammlern und Galeristen auf beiden Kontinenten.
Zwischen den Anfängen in Neu England und den Gewaltausbrüchen in Europa lag Holmeads erster durchgehender Aufenthalt in Europa von 1924 bis 41. Er wurde durch den Einmarsch der deutschen Truppen in Norwegen schlagartig beendet: Am Vorabend der Eröffnung seiner für lange Zeit letzten europäischen Ausstellung in Oslo. Fluchtartig verließ er den Kontinent  und blieb – von kurzen Reisen abgesehen – 15 Jahre lang in den  USA. Erst 1956 kehrte er in  das kriegsverwüstete Europa zurück, wo viele seiner Freunde umgekommen waren und bedeutende Galerien nicht mehr existierten. Er musste neu beginnen und  lebte bis zu seinem Tode in Brüssel. Ab 1966, er war schon 77 Jahre alt,  brach das aus ihm heraus, worum er sich so lange bemüht hatte: Das „Shorthand Painting”, jener expressive Stil, der sein Spätwerk auszeichnet. Im blitzschnellen Zugriff einer geradezu stenographisch zu nennenden Malerei, in der sich Spontaneität, große, künstlerische Erfahrung und Reife miteinander verbinden, reduzierte er das menschliche Gesicht auf einige wenige, typische Charaktereigenschaften, die dem Betrachter Raum für die eigene Fantasie geben sollen. In diesen Gesichtern ist es ihm gelungen, den Kern des Menschen wiederzugeben, wie er ihn im Laufe seines aufmerksam erfahrenen Lebens erkannt hatte. Während er in den frühen Jahren noch Portraits gemalt hatte, die schöne Abbilder waren und liebevolle Zuwendung ausdrückten, beobachtete er in seinem Spätwerk minutiös, skizzierte, dachte nach und ließ dann mit schnellem Spachtel Gesichter entstehen, die den Betrachter zunächst fast erschrecken lassen: Vordergründig zeigt er nämlich einen gnadenlosen, manchmal auch hämischen Aspekt des menschlichen Wesens. Borniertheit, Eigensinn, Egoismus und Versagen werden dargestellt, aber auch Leid und Verzweiflung, Besonnenheit und Weisheit.  Alles, was länger als 7 oder 8 Minuten dauerte, betrachtete er als unter Verlust der Spontaneität gemalt und sah es als zu schön und nicht mehr direkt genug an. Das Ergebnis sind fast bildhauerartigen Portraits, Landschaften und Gebäude im Stil der „Art Brut”. In diesen Bildern liegt so viel Gewissheit, am Ende eines langen Weges angekommen zu sein, dass HOLMEADS Tod am 22. Februar 1975 fast von zwingender Konsequenz war. Er starb in Brüssel und wurde in Bremen, der Heimatstadt seiner Frau, beerdigt.  

Birgid Groscurth

www.holmead.de

 

 

PUBLIKATIONEN ZU HOLMEAD

Katalog zur Ausstellung „Les Faubourgs de New York“, Bernheim-Jeune, Paris
Francois Monod, Direktor Musée de Luxembourg, Paris, 1927

Associates in Fine Arts, Katherine S. Dreier, 1950
Zusammen mit Marcel Duchamp und Man Ray gründete sie 1920 die Société Anonyme: Museum of Modern Art 1920.

Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler des XX. Jahrhunderts, H. Vollmer, 1956

Holmead – Le musée de poche, Stéphane Rey, 1973, Paris

Holmead, vu par Emile Kesteman, 1974, Brüssel

Holmead – Leben und Werk des Malers, Rainer Zimmermann, 1987, Monographie, Klett-Cotta

Holmead, Ein amerikanischer Expressionist in Europa, Maria Anczykowski, Kunstsammlungen Böttcherstraße, Bremen, 1998

Literatur Kunst Kultur, Büchner, Beitrag Florian Koch, Oktober 2000

Art Magazin, September 2001

Shippensburg University Art Gallery, Katalog zur Ausstellung 2003

Holmead und der Triumph der Malerei. Daniel Schreiber, damaliger Kurator des Museums Frieder Burda, Baden Baden, derzeit Direktor Buchheim Museum am Starnberger See.
Einführung zur Holmead-Ausstellung 2006 im Hellhof Kronberg.

ART-Net, Juni 2014

Frankfurter Neue Presse, Juli 2014

Disseration Alexia Pooth, 2014, transskript Verlag

Ausstellungen seit 1923 siehe www.holmead.de

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